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Donnerstag, 2. Juli 2009

Profit Enteignung und Zensur

Das "geistige Eigentum" der Verleger, die Enteignung der Leistung von Journalisten und was das mit #zensursula zu tun hat

Das Urheberrecht hat sich von unterschiedlichen Ausgangspunkten entwickelt. In England entstand das Urheberrecht buchstäblich als "Copyright". Die Krone verlieh der Gilde der Drucker/Verleger das Privileg zum Buchdruck. Die Drucker registrierten ein Werk und erwarben dann das Recht diesen Titel exklusiv zu kopieren. Das Copyright entsteht hier als als Druckrecht der Verleger und nicht als eigentumsähnliches Recht der Urheber (Autoren). Mit der Stationers' Charter übertrug die Krone dann das Recht zur exklusiven Kontrolle aller in England verbreiteten Druckerzeugnisse. Das privatwirtschaftliche Interesse der Drucker/Verleger hat sich hier mit dem Interesse der Krone an einer effektiven Kontrolle der Inhalte, die gedruckt und verbreitet wurden, verbunden (vgl. Volker Grassmuck).

Demgegenüber geht das kontinentaleuropäische Rechtsverständnis letztlich vom schöpferischen Akt des Urhebers aus, dessen Persönlichkeitsrecht die Begründung dafür darstellt, weshalb der Urheber über die Art und Weise der Verbreitung eines Werkes verfügen dürfe.

Unterschiede bestehen auch beim Rechtsübergang. Im angloamerikanischen Rechtskreis werden typischerweise alle Rechte des Urhebers an den Verwerter übertragen. Im kontinentaleuropäischen Rechtsverständnis verbleiben gewisse Urheberpersönlichkeitsrechte unübertragbar beim Autoren.

Der Begriff des "Geistigen Eigentums" ist mit Blick auf das Urheberrecht tendenziell irreführend. "Eigentum" ist dadurch gekennzeichnet, dass Dritte von jeder Nutzung ausgeschlossen werden können, § 903 BGB. Wer in diesem Sinne für geistige Schöpfungen das Recht in Anspruch nehmen möchte, andere von jeder Einwirkung auszuschließen, hat eine simple Lösung: er braucht schlicht nur nichts zu veröffentlichen. Für den nutzenmaximierend denkenden Eigentümer wäre es irrational, sein "Eigentum" mit der Gesellschaft zu teilen. Bei geistigen Schöpfungen ist es für Künstler und Kreative (und Journalisten) ein Wert, wenn das Werk in der Gesellschaft möglichst weit geteilt, vervielfältigt und rezipiert wird. Anders also als beim "Eigentum" geht es beim Urheberrecht von vorneherein um die Verbreitung und Vervielfältigung eines Werkes in der Gesellschaft und nicht um den Ausschluss von Dritten. Das primäre Problem ist dann "nur", wie der Urheber (und von ihm abgeleitet der Verwerter) von dieser erwünschten gesellschaftlichen Nutzung eines Werkes profitieren können.

Die Verwertungsindustrie knüpft mit ihren aktuellen Vorschlägen zu Internetsperren und der digitalen Todesstrafe (so zum Beispiel von Gorny, Naumann, dem Börsenverein des Buchhandels und anderen) an die alte Koalition von privatwirtschaftlichem Profitinteresse der Verwertungsindustrie mit dem staatlichen Interesse an einer Kontrolle der verbreiteten Inhalte an. Der Staat hilft der Verwertungsindustrie bei der Absicherung ihres herkömmlichen Geschäftsmodells und erhält im Gegenzug eine politisch erwünschte Abschottung vor unerwünschter Verbreitung und Nutzung von Inhalten. Einige Provider, wie zum Beispiel Vodafone/Arcor, oder Google als Suchmaschinenbetreiber lassen sich hier offenbar in diese Koalition einspannen.

Das von den Verlegern gewünschte Leistungsschutzrecht soll vorgeblich ebenfalls deren Geschäftsmodell absichern. So schreibt Hubert Burda in der FAZ:

"Noch genießen die Verlage für ihre journalistischen Online-Angebote keinen ausreichenden Schutz. Suchmaschinen, aber auch Provider und andere Anbieter profitieren überproportional von unseren teuer erstellten Inhalten. (...) Vor diesem Hintergrund entstand die aktuelle Diskussion um ein Leistungsschutzrecht, das, im Unterschied zum Urheberrecht der Autoren, die Rechte jener schützt, die die Werke der Autoren vermitteln."

Was die Verleger hier vorschlagen richtet sich jedoch nicht gegen Google & Co. Tatsächlich betreiben die Verleger eine Entkopplung ihrer Verwertungsrechte von einer vertraglichen Rechtseinräumung durch den Urheber, also den Autoren. Die Verwerter wollen ein originäres eigenes Leistungsschutzrecht, ein eigenes "Copyright". Sie wollen nichts anderes als die schlagartige Enteignung der schreibenden Zunft. Je nach Ausgestaltung wären es dann in Zukunft denkbar, für die Zweitverwertung von Print-Artikeln keine Vergütung an den tatsächlichen Urheber mehr zu zahlen. Und die Verleger betreiben damit gleichzeitig auch eine Aushöhlung des Urheberrechts der Journalisten und Redakteure, also die Abwertung der Leistungen eines ganzen Berufsstandes.

Die Verleger untergraben systematisch die Grundlagen, auf denen ihre Geschäftsmodell aufbaut, nämlich den Wert der schöpferischen Leistung ihrer Autoren.

Säßen in den Print-Medien die Qualitätsjournalisten, für die sie sich selbst halten, es müsste ein Aufschrei durch den Blätterwald gehen (sofern dies die redaktionellen Freiheiten zulassen).

Nachdem die Verleger mit ihren Vorschlägen zum eigenen Leistungsschutzrecht die eigenen Grundlagen untergraben, können sie dann auch gleich die Freiheit der Presse selbst begraben. Der Axel-Springer-Verlag hat jetzt eine Abgabe auf PCs gefordert, die offenbar dann auch den Verlegern zu Gute kommen soll (Leistungsschutzrecht!?). Horizonte.net gibt die Aussage von Peter Würtenberger, Chief Marketing Officer bei Axel Springer, wieder:

"Denkbar sei, dass beispielweise beim Kauf eines Computers eine Internet-Abgabe eingepreist sei. Davon könnten dann auch journalistische Angebote profitieren."

Sofern dies zu Gunsten der Verleger tatsächlich eine nennenswerte monetäre Unterstützung wäre, hätten wir damit eine staatliche Pressefinanzierung. Damit steht zumindest ein Mäzenatentum der Politik für Hofberichterstattung zu befürchten. Auch hier müssten eigentlich die viel beschworenen Qualitätsjournalisten aufschreien und sich gegen ihre Degradierung zu staatlich alimentierten Schreib-Domestiken verwahren.

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