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Wefing und die Zensur

Sind Netzsperren Zensur?

Thomas Stadler wirft in seinem Blog die Frage auf, ob Netzsperren Zensur sind. Er reagiert damit auf einen entsprechenden Kommentar des notorischen Wefing (den ich hier aus Gründen der Netz-Hygiene nicht verlinke). Meiner Meinung nach packt Thomas Stadler das Problem nicht ganz richtig an, aber für einen Kommentar war mir die Sache jetzt doch zu komplex. Deshalb hier in Ergänzung eines früheren Beitrages ein Blogeintrag dazu:

1. Schäuble und von der Leyen wehren sich nicht gegen den juristischen Begriff der Zensur sondern gegen den politischen Begriff der Zensur. Das Problem ist ja, dass alles was der demokratischen Öffentlichkeit als Information entzogen wird, in einer Demokratie die autonome Entscheidung des Wahlvolkes zu delegitimieren droht. Die bürgerlich-liberale Forderung nach grundsätzlich unbeschränkter Öffentlichkeit richtet sich gegen die feudale Arkanpolitik. Instituionalisierte Zensur bedroht also im Grunde das Fundament der demokratischen Willensbildung und stellt die gesamte "Volkssouveränität" in Frage.

Deshalb ist "Zensur" dem Grundsatz nach illiberal und sogar anti-bürgerlich. Der "Zensur"-Vorwurf ist genau deshalb so gefährlich - sogar für die CDU. Und in dieser politischen Hinsicht ist der "Zensur"-Vorwurf auch eindeutig gerechtfertigt.

2. Was den juristischen Begriff der Zensur angeht ist richtigerweise von Thomas Stadler klargestellt worden, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 3 "Eine Zensur findet nicht statt." sich nur auf die Vorzensur bezieht. Untersagt ist also nur, dass Inhalte vor Veröffentlichung einer Behörde vorgelegt werden müssen, die dann die Inhalte genehmigt oder eben als rechtswidrig nicht genehmigt. Eine Vorzensur wird durch das Gesetz von #zensursula nur in Aunahmefällen installiert (die Inhalte einer Website werden geändert und/oder der Domaininhaber wechselt). Den Vorwurf einer grundrechtswidrigen "Vorzensur" wird man also kaum erheben können.

3. Wenn es einen juristischen Begriff der "Vorzensur" gibt, dann gibt es logischerweise auch einen juristischen Begriff der "Nachzensur". Und um eine "Nachzensur" im juristischen Sinne des Wortes handelt es sich bei dem Zugangserschwerungsgesetz natürlich! Und auch eine "Nachzensur" muss verfassungsgemäß sein. Genau das steht aber hier mehr als in Frage.

4. Schlussfolgerung im jetzigen Stadium: Als politischer Vorwurf einer (nicht gerechtfertigten) "Zensur" läßt sich an dem Begriff festhalten. Und juristisch betrachtet dürfte es sich bei dem aktuellen Gesetz von von der Leyen um eine verfassungswidrige Nachzensur handeln. Ergänzendes zum Begriff der Zensur findet sich im Beitrag "Zensur des Begriffs - Begriff der Zensur".
  • Näher betrachtet

    "Juristisch betrachtet dürfte es sich [bei] dem aktuellen Gesetz von von der Leyen um eine verfassungswidrige Nachzensur handeln."
    Hier sollte man zwischen Absicht und Umsetzung unterscheiden:

    - Das Gesetz in der beschlossenen Form sowie dessen Zustandekommen sind höchstwahrscheinlich, d.h. nach Ansicht vieler, verfassungswidrig.

    - Die Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung von strafrelevantem Material (oder -- wie Schäuble es formulierte -- "[der] Kenntnisnahme von verbotenen Inhalte[n] nach deren Veröffentlichung") ist mit der Verfassung grundsätzlich erst einmal vereinbar, vorausgesetzt:
    1.) Es ist gewährleistet, daß nur verbotene Inhalte auf der Sperrliste landen (und dies wird auch laufend geprüft, also auch etwaige Änderung des Inhalts berücksichtigt).
    2.) Die Sperrung selbst erfaßt nur die auf der Liste aufgeführten Inhalte, ist also zielgenau.
    3.) Die Maßnahme bleibt insgesamt verhältnismäßig (im erweiterten Sinne; also auch tauglich und erforderlich).
    4.) Von einer Sperrung Betroffenen (Anbietern wie Nutzern) steht (auf einfache Weise) der Rechtsweg offen, inkl. etwaiger Entschädigung.

    [Punkt 1 ist dabei eher ein organisatorisches, Punkt 2 ein technisches Problem.]

    P.S.

    Beim derzeitigen ZugErschwG sind Punkt 1 und 2 nicht erfüllt, Punkt 3 mindestens umstritten und Punkt 4 verbesserungsbedürftig.


    btw09 - 18. Jul, 01:34

    Hmmm

    Also meines Erachtens ist zusätzlich zu den genannten 4 Punkten zu bemerken:

    - Sperren ist unnötig soweit Löschen funktioniert und deshalb ist das Gesetz, was Sperren für kinderpornographische Inhalte betrifft, unverhältnismäßig.

    - Man sollte klarer unterscheiden zwischen einem politischen Vorwurf und einer juristischen Bewertung.


    LÖSCHEN statt SPERREN

    Yep, hätte man in Punkt 1 einfügen können:
    Nur verbotene Inhalte, die *objektiv* nicht gelöscht werden können, landen auf der Sperrliste.
    Dies ist im Gesetz auch keinesfalls erfüllt, da überwiegend im *Ermessen* des BKA.
    Ist aber eigentlich unter Erforderlichkeit subsumiert.

    (Die weiteren Punkte lassen sich noch ziemlich weit aufdröseln, aber dies ist ja nur ein Kommentar und keine wissenschaftliche Abhandlung ;-) .)


  • Stadler (Gast) - 18. Jul, 20:19

    Nachzensur

    Dieser Sichtweise würde ich gar nicht widersprechen. Das macht es freilich schwierig, mit Leuten wie mit Wefing zu diskutieren, die die Vorzensur meinen.

    Man muss Ihnen aber zuerst die Argumente, die gegen Netzsperren sprechen, nahebringen, bevor man anfängt, darüber zu streiten, ob das Zensur ist oder nicht.

    ketzerisch (Gast) - 21. Jul, 14:14

    Gerichte

    Neben der Sorge, dass die Politiker weitere Sperrinhalte festlegen, besteht noch die Gefahr, dass Gerichte Inhalte zu Sperrung festlegen. Auch auf Basis einstweiliger Verfügungen. Bislang wurde dies oft mit dem Hinweis auf Zumutbarkeit für die Provider abgelehnt. Wenn die Infrastuktur sowieso vorhanden ist, dann geht das leichter durch.


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