Was macht die Polizei
V-Server?
Folgende Meldung sollte stutzig machen: Spiegel online meldete am 28.06.2009 "Polizei gelingt Schlag gegen Kinderporno-Netz" und erläutert im Text, "im Mai 2008 sei eine legale Hip-Hop-Internetseite von der Waadtländer Kantonspolizei beobachtet worden, auf der unbekannte Täter in einem Forum illegale Kinderpornofilme derart versteckt hätten, dass die lokalen Betreiber der Seite dies nicht bemerkt hätten."
Nun, wenn die Meldung richtig ist, wurden die Inhalte im Mai 2008 entdeckt und im Juni des Jahres 2009 gibt die Schweizer Polizei bekannt, es seien im Zuge der Ermittlungen, die sich über mehrere Wochen erstreckt hätten, 2299 Computer-Adressen in 78 Ländern ausfindig gemacht worden. Da IP-Adressen häufig schneller gelöscht werden, als der Polizei lieb ist (deswegen: Vorratsdatenspeicherung) wird die Ermittlung der IP-Adressen wohl kaum ein Jahr gedauert haben. Was aber ist während der 13 Monate zwischen der Entdeckung und der Erfolgsmeldung der Schweizer Polizei mit den kinderpornographischen Inhalten geschehen? Wurden die Inhalte sofort nach Bekanntwerden gelöscht?
Bei Heise ist eine Bemerkung zu lesen, die ebenfalls stutzig macht. Eckhard Fischer, Wirtschaftsreferent der SPD-Bundestagsfraktion, äußert sich zur Umgehung der DNS-Sperren durch Nutzer:
"Wer zu solchen Maßnahmen greife, müsse sich aber auch fragen, 'wer ihm Beifall spendet'. Durch das 'massenhafte' Umgehen der geplanten Stopp-Seiten könnten sich Päderasten besser in der Menge verstecken und eine Strafverfolgung vermeiden."
Abgesehen davon, dass man kaum zufällig auf Seiten mit kinderpornographischen Inhalten landet, wie könnten sich hier Pädophile "in der Masse verstecken", wenn die DNS-Sperren umgangen werden. Das geht doch nur dann, wenn genau dadurch die Ermittlungsergebnisse der Zugriffe auf den Logfiles des Servers mit den kinderpornographischen Inhalten so "verwässert" werden, dass die Ergebnisse untauglich sind (wie bei der Aktion Himmel).
In der Studie der Universität Cambridge, die Dank des AK Zensur zu einiger Bekanntheit gelangt ist, gibt es eine Fußnote:
"18 In this paper we have not considered whether ‘take-down’ of child sexual abuse images is the optimal strategy. It could be argued that the correct approach is to locate the people behind the websites (...). The attention that has recently been paid to site lifetimes in the IWF annual reports indicates that removal is now seen by them to be important. However (Callanan 2007) found that only 11% of all websites are reported to ISPs by member hotlines. They wish 'not to interfere with any ongoing law enforcement investigation' and say that 'depending on national legislation, the ISP sometimes prefers not to be informed about potentially illegal content.' ”
Wie nun, wenn Server mit kinderpornographischen Inhalten als verdeckte V-Server benutzt würden, um den Verbreitern, aber auch den Konsumenten zielgerichtet und besser auf die Spur kommen zu können?
- Die Polizei hätte dann wohl kein übertriebenes Interesse an den Daten, die auf dem Stopp-Server anfallen - außer um denn Abgleich mit den Logfiles des Server vorzunehmen, der die kinderpornographischen Inhalte vorhält.
- Die Sperrliste würde eigentlich nur als "Spamliste" dienen, um diejenigen aus der Strafverfolgung herauszuhalten, gegen die ohnehin nicht erfolgreich ermittelt werden kann.
- Das Umgehen der Sperren wird dann selbst als Indiz dafür genommen, dass derjenige, der trotzdem auf den Logfiles des Servers mit den kinderpornographischen Inhalten landet, vorsätzlich gehandelt, also sich strafbar gemacht hat. Wer würde sonst die Sperren umgehen?
- Der vielfach hervorgehobene "Erfolg" der Sperrlisten bestünde dann schlicht darin, dass ermittlungsökonomisch/polizeitaktisch die Ergebnisse der Beobachtung des Servers mit den kinderpornographischen Inhalten gehaltvoller und verwertbarer werden.
Es bedüfte investigativer Journalisten, um hier den Sachverhalt aufzuklären. Dazu brauchen wir keinen Markus Decker oder Heinrich Wefing oder Christian Denso, die uns jeweils mit großer Attitüde die Internet-Welt aus ihrer Sicht erklären, sondern schlicht jemanden, der sein journalistisches Handwerk macht.
Aber es wäre ein Fall brutalen Zynismus, wenn "Löschen statt Sperren" nur deshalb nicht funktioniert, weil dem rein polizeitaktische Erwägungen entgegenstehen. Dann würde sich die Frage stellen, wer hier weiter "die Vergewaltigung von Kindern zeigen lassen" will. Und es würde sich mit Sicherheit die Frage stellen, ob diese polizeitaktische Vorgehensweise es rechtfertigen würde, eine zentrale Zensurinfrastruktur zu installieren.
btw09 - 13. Jul, 20:43