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Dienstag, 14. Juli 2009

Alte Eliten versus neue Medien

Verteilungskampf 2.0

Ursula von der Leyen und Journalisten wie Heinrich Wefing oder Markus Decker haben etwas gemein. Nein, es ist nicht allein die skurrile Auffassung, dass ein virtuelles Stopp-Schild im Internet eine höchst wirkungsvolle Maßnahme bei der Verbrechensbekämpfung sei - es geht um mehr. Sie sind Teil jener alten Eliten aus Politik und Meinungsmachern, die in den seeligen Zeiten, als alles noch aus Holz war, bestimmten, was die Menschen zu denken hatten.

Damals - es ist noch nicht allzu lange her - konnte der denkende Mensch nur sein Zeitungsabonnement kündigen, wenn er sich allzu dummdreiste Hofberichterstattung nicht mehr gefallen lassen wollte. Seelige Zeiten für jene Politiker und Journalisten, die in friedlicher Koexistenz und trotz gelegentlicher Dispute wußten, dass sie in einer Art struktureller Koalition für die Distribution von Herrschaftswissen an die Bürger zu sorgen hatten - möglichst in homöopathischen Dosen. Und dabei auch genau wußten, dass sie sich um den zur Passivität verdammten Leser nicht wesentlich würden bekümmern müssen.

Das sogenannte Web 2.0 ändert einiges in dieser so eingeübten Rollenverteilung. Wer heute gut informiert sein möchte, braucht als Rezipient keine Zeitung mehr. Warum sollte man sich den Briefkasten mit bedrucktem Papier vollstopfen lassen? Auf wenigstens einem Drittel einer Zeitung finden sich komplett uninteressante Inhalte (nicht jeder interessiert sich für den Sportteil oder "Aus aller Welt"). Ein weiteres Drittel ist nicht ausreichend recherchiert oder einseitig berichtet und allenfalls 10% einer normalen Tageszeitung ist überhaupt uneingeschränkt lesenswert. Dafür auch noch Geld zahlen? Und wozu auch - wer auf Schnelligkeit Wert legt und Hintergrund erfahren möchte, ist im Internet ohnehin besser bedient.

Mit User-generated Content in Zeiten des Web 2.0 kommen wesentliche Informationen und Berichte ohnehin nicht mehr aus privilegierten Wissensquellen. Das Beispiel Iran zeigt es, auch und gerade, weil man hier wie dort nicht allem vertrauen darf. Der passive Leser kann, wenn er möchte, die Rolle wechseln und selbst Nachrichten und Informationen produzieren.

Wenn Hubert Burda in seinem Streit für ein urheberrechtliches Verlegerprivileg im Internet "die fundamentale Bedeutung des Qualitätsjournalismus für unsere Demokratie" hervorhebt, so meint er doch - an die Adresse der Politiker gerichtet - nichts anderes, als: wer würde so über euch Politiker berichten wie wir? Dabei ist tatsächlich bereits jetzt den siechen Händen der alten Eliten die 4. Gewalt entglitten und an das Netz übergeben worden.

Nirgends wird dies deutlicher, als in der Auseinandersetzung um Ursula von der Leyens Stopp-Schilder. Der Widerstand formierte sich im Netz, hier wird mobilisiert vor allem aber auch informiert. Und wer sich tagesaktuell über den Stand der Debatte orientieren will findet hinreichende Quellen. Während Frau von der Leyen mit ihrer Indien-Lüge knallhart widerlegt wird, schweigen die klassischen Medien.

Journalisten in den klassischen Medien wundern sich wohl ebenso wie Ursula von der Leyen. Wie konnte es zu diesem breiten Widerstand kommen, obgleich es von "der Presse" keine Unterstützung gab. Und langsam scheint in dieser Auseinandersetzung auch klar: Die klassischen Medien kämpfen ihren eigenen Kampf, ihren "Verteilungskampf 2.0". Wer hat die Deutungshoheit über die Geschehnisse und kann die öffentliche Meinung beeinflussen? Und bei einigen Berichten schimmert die narzistische Kränkung durch. Was unter "Zensur" verstanden wird, findet sich in Blogs aber nicht in Printmedien. Was für eine Demütigung für diejenigen "Qualitätsjournalisten" die glaubten, wir seien auf ihre Welterklärung angewiesen, um zu verstehen, was um uns herum passiert.

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