Sperren statt Löschen um V-Server im Ausland zu schützen
Wie geht man eigentlich mit dem Ausland um?
Es wurde hier bereits vermutet, dass aus polizeitaktischen Erwägungen Server mit kinderpornographischen Inhalten nicht sofort abgeschaltet werden, um verdeckt weitere Ermittlungen durchführen zu können. Dazu gibt es jetzt von unerwarteter Seite eine Bestätigung.
Martin Dörmann, Verhandlungsführer der SPD beim Zugangserschwerungsgesetz, hatte zu einer Veranstaltung eingeladen. Der Audio-Mitschnitt der Veranstaltung ist über netzpolitik.org verfügbar. Es wurde ein Teil transkribiert (es geht um Server mit kinderpornographischen Inhalten im Ausland und um "Löschen statt Sperren"):
"Wie geht man eigentlich mit dem Ausland um? Also sagt man da, da muss in jedem Falle gelöscht werden, egal wie lange das dauert? Da besteht zwischen dem AK Zensur und dem BKA ein großer Meinungsunterschied. Ich habe mich ja auch, wie gesagt, mit Herrn Freude vom AK Zensur, der da an der Spitze der Bewegung steht, mich mal in dieser Frage unterhalten. Der sagt: 'Wir haben den Test gemacht haben: Wenn wir dem Provider einen Hinweis gegeben haben, dann wurden die Inhalte relativ schnell runtergenommen. Wenn dies das BKA machen würde, würde das auch passieren.' Jetzt muss man aber zwei Dinge beim BKA berücksichtigen im Ausland:
Das BKA ist eine Behörde. Die kann natürlich im Ausland nicht so agieren wie in Deutschland. Da ist die große Streitfrage, was ist da bereits 'hoheitliches Handeln', was gegebenfalls der Bundesrepublik zuzurechnen ist - mit allen Folgen: also sowohl politischen Folgen, als auch vielleicht sogar rechtlichen Folgen."
Hier ein kurzer Einschub: Wenn das BKA Abuse-Mails auschließlich zu einwandfrei kinderpornographischen Inhalten verschickt: welche rechtlichen Konsequenzen sollte das haben? Und die "große Streitfrage", ob das BKA Abuse-Mails verschicken darf, ist in Wahrheit keine - mindestens keine große. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat ein solches Vorgehen nicht als "hoheitliches Handeln" und damit als zulässig qualifiziert.
Warum sollte also Löschen im Ausland ein Problem sein. Jetzt Teil 2 der Erläuterungen von Martin Dörmann:
"Der zweite Gesichtspunkt ist das Problem, dass es im Einzelfall auch so sein kann, dass man vielleicht recherchiert im Ausland, genau an dieser Stelle. Und dass man sogar polizeiliche Ermittlungen im Ausland stören kann, wenn man den Hinweis gibt: 'Es ist bekannt, dass Du da so eine Seite hast. Wir tun da was dagegen.'
Das sind Fragen, da muss man einfach auch sehen, dass die vom BKA so angeführt werden."
Also hoppla: Die kinderpornographischen Inhalte sind bereits im Ausland von der Polizei entdeckt worden, aber die Server werden nicht abgeschaltet, sondern als verdeckt operierender V-Server durch die Polizei im Ausland in Dienst genommen. Um weitere Ermittlungen durchführen zu können...
Da stellt sich doch die Frage, wer hier weiterhin uneingeschränkt die Vergewaltigung von Kindern zeigen lässt?
Und als wäre dies nicht schon bedenklich genug (man möchte eigentlich gar nichts mehr über Polizeitaktik wissen): Genau diese polizeilichen V-Server mit Kinderpornographie sind der Grund, weshalb das BKA, laut Martin Dörmann, Sperren in Deutschland für notwendig hält. Nämlich: um die Ermittlungen im Ausland nicht durch Abuse-Mails vom BKA zu stören.
Also entweder ist das BKA technisch unheimlich naiv oder die Politik hat sich vom BKA einen mächtigen Bären aufbinden lassen. Denn natürlich können "Sperren" einen Täter im Ausland ebenfalls warnen bzw. sie sind dazu sogar hervorragend geeignet.
Politisch aber bedeutet dies: wir bekommen Netzsperren in Deutschland um polizeiliche V-Server mit Kinderpornographie im Ausland zu schützen.
[Update: "V-Server" wird hier analog zu "V-Mann" benutzt. Das hat natürlich nichts mit virtuellen Servern zu tun...]
btw09 - 24. Jul, 22:24