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Montag, 3. August 2009

Real Life im Netz

Wo ist der netzpolitisch interessierte Wähler zu finden?

Ursula von der Leyen benutzt letzthin gerne ihr 40 Millionen Argument: "Wir haben 40 Millionen Internetnutzer in Deutschland. Die zeitlich befristete Petition gegen den Vorschlag ist von rund 134.000 Nutzern unterzeichnet worden. Diese Relation muss man sehen." Nun ist Frau von der Leyen mehr als hinreichend demagogisch begabt, um selbst zu wissen, dass sich nicht 39,87 Millionen Internet-Nutzer bewußt gegen die Netzsperren-Petition entschieden haben. Wer nichts von der Petition gewußt hat, wird sich keine Meinung gebildet haben und kann infolge dessen auch nicht von Frau von der Leyen als Unterstützer ihrer Position vereinnahmt werden.

Im Netz gibt es aber dennoch den Drang nach draußen "auf die Straße" oder doch zumindest rein in die "klassischen Medien". Der netzpolitisch interessierte Aktivist oder Wahlkämpfer ist auf der Suche nach den verlorenen Unterstützern. Die Ahnung ist vorhanden - es müßten eigentlich mehr sein. Gleichzeitig entspricht es wohl der eigenen Erfahrung, wie wenig auch netzinteressierte und -affine Nutzer "da draußen" und im "Real Life" zum Beispiel etwas von #zensursula mitbekommen haben.

Wer sich über die geschätzte Zahl der deutschen Twitter-Nutzer informiert hat (wohl zwischen 60.000 bis ca. 85.000 Nutzer in D, zwischenzeitlicher Zuwachs nicht berücksichtigt), ahnte bereits wo das Problem liegen könnte. Die dankenswerter Weise bei netzpolitik.org verlinkten Online-Studien von ARD/ZDF befördern hier Erhellendes zu Tage.

Zunächst einmal: der Anteil der kompletten Offliner 2009 liegt bei immerhin noch 32,9%, also 21,34 Millionen Erwachsene (ab 14 Jahre). Rechnet man die potentiellen CDU-Wähler und etatistisch gesonnenen SPD-Wähler als unerreichbar ein, dürfte jede Offline-Kampagne für netzpolitische Themen mit immensen Streuverlusten behaftet sein. Für netzpolitische Themen ist der geeignete Mobilisierungsort - wen wundert es - das Netz selbst.

Sind hier bereits alle Mittel ausgeschöpft? Sind 134.000 Unterzeichner oder 229.000 Wähler der Piraten das Maß aller Dinge?

Nun, wer sich die Nutzung von Web 2.0 Angeboten anschaut stellt vielleicht Überraschendes fest. Laut der Online Studie von ARD/ZDF nutzen Onliner nie, das heisst auch nicht gelegentlich, folgende Dienste:

private Netzwerke / Communities zu 71%
Fotosammlungen / Communities zu 75 %
Weblogs zu 92 %
berufliche Netzwerke / Communities zu 94 %
Lesezeichensammlungen zu 96 %

Wohlgemerkt: die Prozentangaben beziehen sich auf die Nichtnutzung!

Im Klartext bedeuten diese Zahlen zum Beispiel, dass alle Mechanismen der Mobilisierung in der Kampagne gegen #zensursula ungefähr 9 von 10 Internetnutzern überhaupt nicht erreicht haben, weil diese nicht twittern, keine Blogs lesen und auch in einer privaten Community sich womöglich nicht mit politischen Themen beschäftigen wollen.

Die vielleicht etwas erschütternde Wahrheit ist also: 82% der Internet-Nutzer lesen ihre E-Mails und schauen sich Webseiten an (keine Blogs). That's it. Die Blase, in der wir leben, ist nicht das Internet, sondern der Web 2.0 Teil davon (was immer "Web 2.0" konkret bedeuten mag). Und dieser Teil der Internet-Nutzung macht weniger als 10% aus (gerechnet auf die Internet-Nutzer in Deutschland).

Was bedeutet das nun für den Online-Wahlkampf oder die Kampagne gegen Internetsperren und Zensur?

Die positive Nachricht für CDU und SPD zuerst. Der Kampf um die Multiplikatoren im Netz ist verloren, der Internetwahlkampf insofern beendet, bevor er richtig begonnen hat. Wahlgetwitter und die VZ Wahlkampfzentrale zeigen es überdeutlich. Aber, und das ist die gute Nachricht, die wenigsten Internetnutzer haben das bereits mitbekommen.

Was bedeutet das nun aber für einen netzpolitischen Wahlkampf oder Kampagnen von Netzaktivisten? Die gute Nachricht ist hier die gleiche: wohl ca. 90% der Internet-Nutzer dürften hier noch gar nichts mitbekommen haben. Die schlechte Nachricht folgt auf dem Fuße. Diese Internetnutzer sind wahrscheinlich nur über ganz ordinäre Web 1.0 Techniken erreichbar. Also Mailings, Newsletter, SEO kompatible Webseiten und Suchmaschinenmarketing.

Das Real Life ist bereits im Netz, der Straßenwahlkampf wartet.

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