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Donnerstag, 17. September 2009

Grundrechte als Bürgeropfer

Verfassungsminister

Wolfgang Schäuble präsentiert sich auch im Wahlkampf als rollender Anschlag auf das Grundgesetz. Diesmal fordert er die Abschaffung der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste. Oder richtiger vielleicht doch: er fordert "nur" eine Debatte über die Abschaffung der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste. Naiv wäre, wer annähme, Schäuble würde quasi eklektizistisch Vorschläge zur Inneren Sicherheit und zur Einschränkung von Grundrechten unterbreiten.

In einem Interview mit der ZEIT hat Wolfgang Schäuble empfohlen, sich mit dem Autor Otto Depenheuer und dessen Buch "Selbstbehauptung des Rechtsstaats zu beschäftigen:

Zeit: Selbst ein so gefestigter Rechtsstaat (...) tut sich offenbar schwer damit, diese rechtsstaatlichen Grenzen einzuhalten, Stichwort Guantánamo. Der Kampf gegen den Terror scheint den Rechtsstaat bis an seine Grenzen zu fordern - und darüber hinaus?

Schäuble: Lesen Sie einmal das Buch Selbstbehauptung des Rechtsstaats von Otto Depenheuer, und verschaffen Sie sich einen aktuellen Stand zur Diskussion.

Der Aufforderung ist unter anderem auch die TAZ nachgekommen. Es lohnt sich einen Blick darauf zu werfen, welches Gedankengebäude hinter den Vorschlägen von Wolfgang Schäuble steht. Die ZEIT schrieb hierzu ja bereits, dass man sich

"in eine geradezu paranoid anmutenden, extrem hermetischen Gedankenwelt"
versetzt sehen wird.

Politischer Extremismus
Der von Schäuble empfohlene Autor bezieht sich in seiner Argumentation positiv auf Carl Schmitt. Und wie dieser so denkt auch Depenheuer bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus von den Extremen aus. Er sieht den Staat durch die Terrorbedrohung existenziell bedroht. Islamistische Terroristen sind für ihn Feinde. In der Diktion von Carl Schmitt ist der Begriff des Feindes in einem konkreten und existenziellen Sinne zu verstehen.

Der (terroristische) Feind steht außerhalb der Gesetze und ist letztlich zu vernichten.

Afghanistan in Deutschland
Wenn man politische Probleme, und auch der islamistische Terror ist ein solches, erst einmal intellektuell auf Steinzeitniveau eingestellt hat, kann sich dann nur noch die Frage stellen, wer die größere Keule zu schwingen vermag: der Terrorist oder der Staat. An dieser Stelle gerät dann zwangsläufig auch der zivile Kollateralschaden einer solchen Politik in den Blick.

Bürgeropfer
Die Frage die sich - wieder zugespitzt am Extremfall des Abschusses eines Passagierflugzeuges, stellt ist - wie sich die staatlich angeordnete Tötung von unschuldigen Staatsbürgern denn rechtfertigen ließe. Hier führt Depenheuer den Begriff des "Bürgeropfers" ein. Wenn es um die existenzielle Selbstbehautung des Rechtsstaats geht, dann, so meint Depenheuer, müssten doch die Mitglieder dieses Solidarverbandes, also die Bürger, letztendlich auch verpflichtet sein, mit ihrem Leben den Fortbestand des Staates zu sichern.

Es handelt sich um eine verpflichtend gedachte, zivilgesellschaftliche Levée en masse mit dem Inhalt, als potentielles "Bürgeropfer" den Fortbestand des existenziell bedrohten Staates abzusichern.

Insofern Schäuble sich den Ausführungen Depenheuers anzuschließen scheint, befindet er sich offensichtlich in einem ganz rustikal gedachten Kampf gegen Terror (und Kriminalität?). Und wenn in einer solch archaisch gedachten Auseinandersetzung das Leben unschuldiger Bürger als vernachlässigbare Größe gehandelt wird, wie sollten dann wohl liberal verstandene Normativitäten, wie zum Beispiel Grundrechte, überhaupt noch eine Rolle spielen?

Im Grunde genommen ist es mehr als Ironie, dass Wolfgang Schäuble zugleich "Verfassungsminister" ist.

Samstag, 12. September 2009

Wahlkampf auf Leserkosten

Rheinische Post agitiert gegen Piraten

Die Rheinische Post will einen Skandal entdeckt haben: unter der Überschrift "Wahlkampf auf Staatskosten" behauptet sie, die "Bundespressestelle" der Piratenpartei telefoniere für ihre Kampagnen von einem Anschluss des Bundestages aus, dort sei der "Bundespressekoordinator" der Piratenpartei erreichbar.

Nun, wenn der Autor der Rheinischen Post, Gregor Mayntz, jemals etwas von Parteienfinanzierung gehört hätte, dann müsste er wissen, dass jede Partei und insbesondere die großen etablierten Volksparteien ihren Wahlkampf wenigstens zum Teil auf Staatskosten führen. Über die direkte Finanzierung aus staatlichen Zuschüssen und indirekte Finanzierung aus Staatsmitteln über die Beiträge der Mandatsträger kann sich die Rheinische Post zum Beispiel bei Wikipedia informieren. Insofern ist die Überschrift - wenn als Vorwurf gegen die Piraten gerichtet - komplett abwegig.

Außerdem: Jeder Bundestagsabgeordnete managt seine Parteiaktivitäten einschließlich des Wahlkampfs während der Sitzungswochen des Bundestages aus seinem Bundestagsbüro in Berlin. Und natürlich nutzen alle Abgeordneten für diese Parteiaktivitäten auch das Telefon im Bundestagsbüro. Es wäre sehr naiv anzunehmen, es ließe sich bei der Nutzung des Telefons eines Abgeordneten zwischen der "Nutzung als Abgeordneter des Bundestags" und der "Nutzung zu Parteizwecken" säuberlich unterscheiden.

So bleibt eigentlich nur ein vernünftiger Grund für diesen Artikel der Rheinischen Post und der lautet: Wahlkampf!

Das bedeutet faktisch also, dass die Rheinische Post auf Leserkosten Wahlkampf gegen die Piraten betreibt. Das sollte aber bei den Lesern der Rheinischen Post zwei Fragen aufwerfen. Möchte man wirklich mit seinem Abonnement den Wahlkampf der CDU finanzieren? Und: Wäre es dann nicht klüger, das Abo zu kündigen, das Geld an die CDU direkt zu spenden und dann wenigstens eine von der Steuer absetzbare Spendenquittung zu bekommen?

Wer die CDU unterstützen möchte, kann das direkter und sinnvoller tun - und erspart es sich, unsinnige Artikel aus der Rheinischen Post lesen zu müssen.

Freitag, 11. September 2009

Online-Wahlkampf

Herren der Meere

Auf gutjahr.biz läuft aktuell ein Twitt-Poll zum Online-Wahlkampf. Man könnte annehmen, dass es möglicherweise ein wenig zu früh ist für ein Urteil über den Online-Wahlkampf. Schließlich dauert der Wahlkampf noch 2 Wochen. Aber, Moment mal: welcher Wahlkampf überhaupt?

Prinzip Enttäuschung

Die CDU verweigert sich dem Wahlkampf bewußt, um der SPD keine Gelegenheit zur Mobilisierung ihrer Anhänger zu geben. Damit liefert sie dann eben auch keine Angriffsfläche wie noch in 2005. Ein insgesamt langweiliger Wahlkampf wird nun auch im Netz Niemanden vom Hocker hauen. Wenn die stärkste Aussage im Wahlkampf ist "Wir haben die Kraft", aber die Frage nicht klar beantwortet wird "Wozu?", dann ist eben mit diesem Inhalt kein Begeisterungssturm zu entfachen.

Piraten

Spektakulär ist der Online-Wahlkampf nur aus einem Grund: wegen der Piraten. Wohlgemerkt der Online-Wahlkampf der Piratenpartei findet eigentlich genausowenig statt, wie der Offline-Wahlkampf der anderen Parteien. Auf die Frage, "Wen soll ich wählen" oder auch "Wem gebe ich am 27.09.2009 meine Wahlstimme?" liefert keine Partei bei Google ein Ergebnis, aber eben auch nicht einmal die Piraten. Und selbst eine so simple Suche wie "Piratenpartei Wahlprogramm" liefert ein wirklich enttäuschendes Ergebnis für eine Partei, deren Wurzeln im Netz zu suchen sind. Zum Vergleich: selbst die CDU, also die Offline-Partei schlechthin, liefert zu den entsprechenden Suchbegriffen nicht nur eine brauchbar gestaltete Webseite aus, sondern zu diesem Stichwort auch gleich noch ein Sponsored-Ad vorneweg. Beschämend!

Ein zündender Online-Spendenaufruf der Piraten: Fehlanzeige. Wofür man jedoch spenden kann, ist ein Offline-TV Spot (!) der Piraten. Also im günstigsten Fall - wenn die Piraten die 5 % Hürde nehmen - hat der TV-Spot einen effektiven Streuverlust von 97 % (unterstellt, die Piraten hätten bereits jetzt 2% Wähleranteil gesichert und die Differenz käme ausschließlich aus dem TV-Spot). Eine auch nur halbwegs ordentliche Klick-Kampagne der Piraten für genau diesen Wahlkampfspot im Internet könnte bei (Klickpreisen von 0,20 €) 750.000 wirklich interessierte Onliner ansprechen. Das passende Werbemittel zu dieser Kampagne hätten dann allerdings bei einer wirklich guten Kampagne vorher bereits 35 Millionen Internet-Nutzer gesehen (2 % Click-Through-Rate). Kennt bei den Piraten niemand den Vorteil von Werbung im Internet im Verhältnis zu Offline-Werbung?

Auch noch nie gesehen: eine von der Piratenpartei vorformulierte Mail, die mir von einem Freund zugeschickt worden wäre und indem die Piraten über ihr Programm aufklären, um Unterstützung oder Spenden bitten und möglicherweise einen Newsletter anbieten.

Die Piratenpartei kommt im klassischen Web 1.0 praktisch nicht vor und erreicht wohl gerade einmal 10% der Internet-Nutzer. Stattdessen rollen ganze La-Ola Wellen an Piraten-Retweets durch Twitter, so dass einige Hashtags sich der Unbenutzbarkeit annähern.

Wir sollten nicht unfair sein. Die Piraten sind jung und brauchen die Zeit. Schließlich dürfte die Piratenpartei organisatorisch auch etwas von ihrem eigenen Erfolg übermannt worden sein.

Likedeeler

Zurück zum Thema: das wirklich einzige, überraschende und begeisternde Thema dieses Wahlkampfes ist die Breite der Unterstützung der Piratenpartei im Netz. Ob XING oder VZ, ob Twitter oder Blogs. Die Piratenpartei genießt im Netz - jedenfalls im Web 2.0 - einen Rückhalt der so groß ist, wie bei keiner anderen Partei. Selten hat ein Wahlkampf im Netz so viel Spass wie dieser gemacht. Überall trifft man auf Piraten.

Im Netz ist die Piratenpartei - also sind wir ! - die einzig verbliebene 'Volkspartei'.

Und zurück zur angesprochenen Umfrage: Online-Wahlkampf der anderen Parteien? Welche andere Partei hat nennenswerten Rückhalt im Netz und kann einen Online-Wahlkampf führen?

Mittwoch, 9. September 2009

Schwarz-Gelb

Keine Mehrheit?

Die aktuellsten Wahlumfragen sind veröffentlicht (zu empfehlen: wahlrecht.de) und es zeichnet sich ab, dass es doch noch spannend wird. Bildet man nämlich den Durchschnitt über die drei zuletzt am 09.09.2009 veröffentlichten Umfragen sieht es wie folgt aus:

35,00% CDU/CSU
13,33% FDP

22,50% SPD
11,67% GRÜNE
12,50% DIE LINKE

5,00% SONSTIGE

Das ergäbe 48,33 % zu Gunsten einer schwarz-gelben Koalition vs. 46,67 % zu Gunsten von SPD, GRÜNE und LINKE. Die Ergebnisse hier sind gemittelt über die oben genannten aktuellsten Wahlumfragen.

Die Nachkommazahlen spiegeln allerdings eine Exaktheit vor, die Wahlumfragen prinzipiell so nicht haben können. Aus anderweitig bereits erwähnten Gründen ist auch das Wahlergebnis für "SONSTIGE", insbesondere also für die Piraten, mit einiger Unsicherheit behaftet.

Was sich allerdings ablesen läßt:

1. Schwarz-Gelb hat nach der aktuellen Wahlumfrage keine sichere Mehrheit.

2. Ein Wechsel von ca. 2 % bis 3 % der Wähler in die eine oder andere Richtung ist bereits wahlentscheidend.

3. Es zeichnet sich ab, dass das Abschneiden der Piratenpartei auf den Ausgang der Wahl ebenfalls von großer Bedeutung sein kann. Mit den Piraten im Bundestag erscheint eine schwarz-gelbe Koalition sehr unwahrscheinlich.

Möglicherweise rächt sich jetzt für die Union, dass sie sich bisher praktisch dem Wahlkampf verweigert hat und offensiv einen "Nichtwahlkampf der Langweiligkeit" geführt hat. In diese Richtung argumentiert auch Michael Spreng in seinem Blog.

Dienstag, 8. September 2009

Piraten und Wahlumfragen

Landet das Piratenschiff im Bundestag?

Eine einigermaßen valide Wahlumfrage könnte Anhaltspunkte darüber geben, wo denn das Piratenschiff am 27.09.2009 anlanden wird. Gestrandet an der Klippe der 5 % oder über diese Untiefe hinweggesegelt und im Bundestag gelandet. Für manchen Wähler mag auch eine Einschätzung hierzu wichtig sein für die eigene Wahlentscheidung:

- Unentschlossene Wähler entscheiden sich selten für eine Partei von der sie davon ausgehen, dass sie Wahlverlierer wird.

- Nicht Jeder ist auch bereit das Risiko einzugehen, dass seine Stimme scheinbar verfällt.

Aber auch für strategische Wähler ist die Frage eines möglichen Einzugs der Piraten in den Bundestag wichtig. Je geringer der Abstand zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün umso eher wird der Einzug der Piraten in den Bundestag eine Koalition allein aus Union und FDP verhindern. So üppig ist der aktuelle Vorsprung von Schwarz-Gelb nicht mehr, als dass er nicht durch einen kleinen Shift von 2 oder 3 % in Verbindung mit den Piraten im Bundestag das jetzige Triumphgefühl als wesentlich verfrüht erscheinen lassen könnte.

Nun sind im Netz keine zuverlässigen Wahlumfragen zu erwarten, wie zuletzt die Rhein-Zeitung erfahren musste. Und es scheint so, als seien auch die Meinungsforschungsinstitute nicht in der Lage das Phänomen "Piraten" zu erfassen. Teils, weil sie nicht nach den Piraten fragen (?), teils aber wohl auch wegen der Methode, der telefonischen Befragung per Festnetztelefonie.

Umso aufschlußreicher ist vielleicht diese Analyse des Suchmaschinentraffics bei Google:


Betrachtet man nur den Durchschnitt des letzten Monats, dann liegen die Piraten mit der Linken in etwa gleichauf und nur um ein Drittel hinter der FDP. Und über die Zeitachse hinweg ist auch eine deutliche Verschiebung zu Gunsten der Piraten erkennbar. Die nachgefragten Themengebiete spielen den Piraten ebenfalls in die Hände. Bildungspolitik liegt hier mit weitem Abstand in Führung.

Man darf dabei nicht vergessen, dass noch immer etwa 32,9 % der Bundesbürger überhaupt keinen Internetanschluss haben. Außerdem wird es die Piratenpartei schwerer als andere Parteien haben, Interesse auch in konkrete Wählerstimmen zu übersetzen. Man kann ja bei den Piraten weder von Stammwählern noch von geneigten Wechselwählern sprechen, da dies ihre erste Bundestagswahl ist.

Aber immerhin: wenn es der Piratenpartei tatsächlich gelingen sollte, das objektiv vorhandene Interesse in echte Wählerstimmen zu übersetzen, dann erscheint der Einzug in den Bundestag mindestens nicht als gänzlich ausgeschlossen.

Es wird wohl darauf ankommen, ob die Piratenpartei auch eine Strategie hat, um die klassischen Web 1.0 Nutzer für sich zu mobilisieren.

Sonntag, 6. September 2009

Possenspiel

Wahlkampf paradox

Der Wahlkampf hat bisher darunter gelitten, dass er nicht stattgefunden hat. Die Langweiligkeit dieses Wahlkampfes könnte wahrscheinlich nur von der Fernsehübertragung eines Angel-Wettbewerbs übertroffen werden. Jetzt helfen sich FDP und Union wechselseitig.

Die verzweifelten Versuche der SPD so etwas wie Wahlkampf zu machen und gleichzeitig die letzte verbliebene Machtoption - nämlich Fortsetzung der großen Koalition - zu retten, liefen ja darauf hinaus, dem Wähler Angst vor einer schwarz-gelben Koalition zu machen. Was tun, wenn man diese Strategie der SPD unterlaufen möchte? Nun, Guido Westerwelle wehrt sich gegen diesen Angriff gleich so, dass er damit auch Schlagzeilen macht: er lamentiert lautstark über den Linksrutsch der CDU:

Im Ernst: Ich bin entsetzt über den Linksrutsch der CDU. Millionen Wähler, die sich zur FDP wenden, auch. Die Union wird der SPD immer ähnlicher.
Das Kalkül dahinter dürfte klar sein. Wenn überhaupt einem Politiker wahre Aussagen zuzutrauen sind, dann doch wohl, wenn er eine Konkurrenzpartei beleidigt. Schlagzeilen gibt es dafür auch in Wahlkampfzeiten immer. Und so kann Guido Westerwelle subtil dem Wähler die Angst vor Schwarz-Gelb nehmen, indem er nämlich die Union sozialdemokratischer Umtriebe verdächtig macht.

Und die Union? Die Union hat natürlich das Problem, dass sie aus der Regierung heraus Wahlkampf machen muss. Und jeder wirtschaftspolitische Änderungsvorschlag wirft sofort die Frage auf, weshalb ihn die Union nicht bereits umgesetzt hat. Außerdem hat die Union mit "dem Professor aus Heidelberg" bereits einmal schlechte Erfahrungen gemacht, was allzu kühne Änderungsvorschläge in Wahlkampfzeiten betrifft. In dieser Situation attackiert jetzt Horst Seehofer die FDP:

"Die Liberalen gefährdeten mit ihren 'neoliberalen Schreckgespenstern' im Wahlkampf den Erfolg von Schwarz-Gelb, polterte CSU-Chef Horst Seehofer in der «Bild am Sonntag». "

Die Union vermeidet mit diesen Angriffen auf die FDP die seinerzeitige Verunsicherung der Wähler, die in 2005 noch einmal unversehens die SPD in die Regierung gespült hat und macht trotzdem all jenen Mut, die sich tatsächliche eine marktliberalere Wirtschaftspolitik versprechen.

Wahlkampf paradox? Union und FDP simulieren nur einen Wahlkampf zwischen jenen Parteien, die doch (angeblich unumstößlich) die nächste Regierung bilden werden. Und sie werfen sich wechselseitig Dinge vor, die jeweils Teile der Wählerschicht dazu bringen könnten, eine schwarz-gelbe Koalition an die Macht zu bringen. Dabei ist doch ganz klar: Angela Merkel ist mit Sicherheit kein Willy Brandt. Und noch weniger als ein Hans-Dietrich Genscher hat Guido Westerwelle die wirtschaftspolitische Statur eines Otto Graf Lambsdorff.

Aber eins ist klar: wer Angela Merkel mit Willy Brandt und Guido Westerwelle mit Graf Lambsdorff verwechselt der glaubt an eine Regierungsfähigkeit von Schwarz-Gelb, die so jedenfalls nicht vorhanden ist.

Dienstag, 1. September 2009

Pyrrhus und die SPD

Eine Wahlempfehlung?

Wer erinnert sich noch an die von Testosteron geschwängerte Elefantenrunde zur Bundestagswahl 2005, in der Gerhard Schröder den Anspruch klar gemacht hat, dass eine Regierung ohne "seine" SPD nicht gebildet werden könne. Recht hat er gehabt, wenngleich anders, als sich Gerhard Schröder das damals wohl vorgestellt haben wird.

Nachträglich betrachtet ist man geneigt zu fragen, was es denn der SPD und dem Land gebracht hat, diese große Koalition. Für die SPD scheint die Antwort jedenfalls klar. Sie hat sich und ihr Personal in der Regierungsarbeit verschliessen und evident Mühe, wenn schon kein Programm so doch wenigstens respektable Personen vorzuzeigen, mit denen sich eventuell eine weitere Legislaturperiode in der Regierung bestreiten ließe.

Mittlerweile ist die SPD auch im Lichte der Meinungsumfragen anämisch genug, um schon gar keinen eigenen Führungsanspruch mehr zu formulieren. Es geht um die Verhinderung einer Koalition aus CDU und FDP. Das wird jetzt auch als Losung in den Medien hinterlassen und als Ergebnis der Landtagswahlen verkauft:

Die klare Botschaft des Tages ist aber: Schwarz-Gelb hat in unserem Land keine Mehrheit. Die marktradikale Politik, die weltweit in die Krise geführt hat, hat abgewirtschaftet.
Jetzt noch mal kurz den Denkapparat zugeschaltet. Die SPD erzählt uns, Schwarz-Gelb sei für die Bevölkerung keine Option. Und mit diesem Argument sollen wir uns bestärkt fühlen, die SPD wieder in eine große Koalition hineinzuwählen?

1. In den letzten Jahren war Schwarz-Gelb meines Wissens nach nicht die Farbe der Regierungskoalition auf Bundesebene, was also meint die SPD mit "marktradikale Politik (...) hat abgewirtschaftet". War die SPD etwa in der Opposition? Wenn, dann muss es wohl die innere Opposition gewesen sein...

2. Die SPD hat sich in den Jahren ihrer Regierungsbeteiligung personell und programmatisch verschlissen. Eine weitere Legislaturperiode in einer großen Koalition wäre der ultimative Pyrrhussieg der SPD. Zur Bundestagswahl 2013 kann die SPD dann als Splitterpartei antreten.

3. Netzpolitisch betrachtet gibt es zunächst einmal keinen Grund anzunehmen, Schwarz-Gelb sei schlechter als Schwarz-Rot. Wer nicht auf eine netzpolitische Sonthofen-Strategie setzt, kann einer Fortsetzung der großen Koalition nichts abgewinnen.

4. Letztlich aber ist im Ergebnis der Landtagswahlen die Aussage der SPD auch inkonsistent. Schwarz-Gelb hat im Zweifel in Thüringen und im Saarland keine Mehrheit, weil dort Linke und Grüne stark sind. Die Wahlergebnisse der SPD lauten:

Saarland 24,5 %
Thüringen 18,5 %
Sachsen 10,4 %

Die Behauptung der SPD, Schwarz-Gelb habe im Land keine Mehrheit, stimmt deshalb nur insoweit, als Linke und Grüne stark genug waren, Schwarz-Gelb zu verhindern.

Boshaft formuliert: die jetzige Wahlkampfstrategie der SPD läuft darauf hinaus, dass bitte möglichst viele Wähler der Grünen und der Linken der SPD dazu verhelfen sollen, noch einmal einen Pyrrhussieg zu erringen, mit dem sich die SPD in eine erneute große Koalition "retten" kann.

Dazu kann man nur sagen: Hilfe!

Montag, 31. August 2009

Der Mann ohne Eigenschaften

... ist zurückgetreten!

Die Landtagswahl in Sachsen hat nicht nur ein höchst respektables Wahlergebnis für die Piraten erbracht, sondern auch ein weiteres erfreuliches Ergebnis:

Am heutigen Tage ist Thomas Jurk zurückgetreten. Wer sich fragt, weshalb hier der bisherige Landesvorsitzende der SPD in Sachsen noch einmal kurz vor der verdienten Bedeutungslosigkeit zum Gegenstand eines Berichts gemacht wird, dem sei in Erinnerung gerufen, wofür sich Jurk im Netz einen - wenn auch flüchtigen - Namen gemacht hat:

(Gast208) Wieso schränkt die SPD die einfachsten Grundrechte durch die (wirkungslose) Internet-Zensur des Zugangserschwerungsgesetztes ein? Für mich verstößt die SPD damit gegen das Grundgesetz!

Thomas Jurk: Hallo lieber "Pirat". Wenn wir gegen das Grundgesetz verstossen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf. Ich persönlich hoffe darauf, dass wir das Problem lindern, wenn wir den Kunden von Kinderpornografie das Leben schwerer machen. Wenn deshalb irgendwo auf der Welt nur ein Kind nicht zu pornografischen Bildern mißbraucht wird, hat sich das gelohnt.

Das beste, was sich über diesen Beitrag von Thomas Jurk sagen ließe, wäre wohl, dass er mit entwaffnender Offenheit eingestanden hat, was denn der "Gedankengang" von SPD-Politikern beim diesem Thema ist und war, nämlich: Beim Thema "Kampf gegen Kinderpornographie" wird überhaupt nicht mehr nachgedacht über Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Massnahmen, über deren Verhältnis- oder Verfassungsmäßigkeit. Nein, stattdessen wird auf die blinde Hofffnung hin, es könnte möglicherweise wie durch ein Mirakel eine sinnlose Maßnahme womöglich doch irgendwie ein Kind retten, die Verfassung im Zweifel missachtet.

Das ist eine Politik nach dem Lourdes-Prinzip. Der Glaube, wenn er nur tief und andächtig genug ist, soll ja bekanntlich Wunder bewirken können. Indessen - würde man vorschlagen im Internet Vorfahrtsschilder aufzustellen, würde sich jeder Politiker blamieren, der dies mit der Hoffnung begründen würde, die Aufstellung dieser Verkehrsschilder könne womöglich einem Unternehmen oder mittelständischen Betrieb beim wirtschaftlichen Aufschwung helfen.

So kann über Thomas Jurk nur noch gesagt werden, dass ihm mindestens zwei Eigenschaften eines Politikers fehlten, nämlich erstens die Fähigkeit zu vernünftiger Politik in der Sache (hier: Kinderschutz und Netzpolitik) und zweitens die Achtung vor der Verfassung.

Der Mann ohne Eigenschaften ist zurückgetreten. Wir können seinen Namen vergessen. Das beste wäre wohl, man könnte bald ein Gleiches über manch anderen Politiker der großen Koalition sagen.

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