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Netzwahlkampf

Dienstag, 29. September 2009

Alles was einen Anfang hat

... hat auch ein Ende

Wie schon aus dem Titel ersichtlich wurde dieses Blog als Kampagnen-Blog zur Bundestagswahl 2009 angelegt. Die Wahl ist bekanntlich vorüber. Wer sich für eine kurze Interpretation des Ergebnisses interessiert, findet hier einen Beitrag. Für die Piratenpartei gibt es eine gesonderte Kurzanalyse.

Aus netzpolitischer Sicht wird interessant sein, ob die FDP sich zum Beispiel beim Zugangserschwerungsgesetz tatsächlich durchsetzen kann und - wie angekündigt - dessen Inkraftreten verhindert. Das wird eine der ersten Proben sein, inwiefern die FDP sich auch im praktischen Regierungshandeln als Bürgerrechtspartei versteht.

Damit aber ist die Aufgabe dieses Blogs im Wesentlichen erledigt. In 3 Monaten wurden 45 Beiträge zum Thema veröffentlicht. Das BTW09blog hatte knapp 10.000 Besucher, wurde bei Wikio in den Top 100 und bei rivva.de immerhin in den Leitmedien gelistet (irgendwo bei Rang 500). Die Liste der meistgelesenen Artikeln wurde noch einmal aktualisiert.

Dank an alle Leser, Kommentatoren und Retweeter.

Montag, 28. September 2009

Kursbestimmung

Der Wahlfang der Piratenpartei

Am gestrigen 27.09.2009 ist die Piratenpartei zum ersten Mal zum Wahlfang bei einer Bundestagswahl angetreten. Knapp 2 % der Wählerstimmen wurden abgefischt. Zeit für eine nüchterne Analyse der Wahlausbeute.

1. Der relative Stimmenanteil kann die Piratenpartei durchaus zufriedenstellen. Knapp 2% war das realistischerweise erwartbare Wahlergebnis. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass das Wahlergebnis auf der Basis einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von nur 70,8 % erzielt wurde. Bei einer Wahlbeteiligung wie in 2005 hätte die Piratenpartei mit der gleichen absoluten Stimmenzahl nur 1,76 % Wähleranteil errungen. Und man darf doch annehmen, dass die Anhänger der Piratenpartei motiviert genug waren, tatsächlich zur Wahl zu gehen.

2. Erfolgreich war die Piratenpartei vor allem bei männlichen Erst- und Jungwählern. Laut Wahlanalyse von Infratest liegt die Piratenpartei bei männlichen Erstwählern mit 12 % vor der Linken mit 11 %. Die berechtigte Freude darf die Piraten nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem hohen Wahlanteil bei (männlichen) Erst- und Jungwählern ein entsprechend niedrigerer Wahlanteil bei Frauen und älteren Wählern entspricht. Das bedeutet: Will die Piratenpartei über 5 % in einem Flächenland wie NRW kommen, muss sie entweder ihren Wähleranteil bei männlichen Erst- und Jungwählern ganz bedeutend (!) steigern oder aber ihre Wählerbasis insgesamt, also insbesondere bei Frauen und älteren Wählern, verbreitern.

3. Auch wenn es falsch ist die Piratenpartei als eine "Einthemenpartei" zu bezeichnen [Update: passende Antwort zur Ein-Themen-Phrase], ist schlechterdings nicht in Abrede zu stellen, dass die Piratenpartei eine programmatisch recht schmale Grundlage hat. Eine Verbreiterung der Wählerbasis wird aber nur gelingen, sofern die Piratenpartei auch ein Politikangebot für breitere Wählerschichten formulieren kann.

Es ist hier nicht hilfreich, wenn man simpel statuiert, "natürlich sind Frauen und Männer gleichberechtigt" und wegen dieser "Selbverständlichkeit" meint, man müsse hier innerparteilich und/oder programmatisch keine Angebote formulieren.

4. Die Piratenpartei wird sich auch zu überlegen haben, wie sich ihre interne Parteiorganisation mit den Anforderungen eines Wahlkampfes verträgt. Es gibt nun einmal Situationen, in denen eine basisdemokratische Organisation und die Offenheit der Partizipation für alle Interessierten auch ein Hemmnis ist. Und im Kampf ist ein schlechter General besser als zwei gute.

Eine weitere Herausforderung für die Piratenpartei dürfte es auch sein, ihr Mitgliederwachstum organisatorisch zu bewältigen.

5. Zur Professionalisierung der Piratenpartei gehört auch eine klare Kommunikation. Wie ist es zum Beispiel möglich, dass zunächst der Stellvertretende Bundesvorsitzende sein Interview mit der Jungen Freiheit bedauert, wenn dann zwei Tage später und nachdem auch ein Fragebogen des Bundesvorsitzenden erschienen war, genau dieses Vorgehen als richtig verteidigt wird. Spricht sich der Bundesvorstand nicht ab, wer wem ein Interview gibt? Und wenn es Kritik gibt, erarbeitet der Bundesvorstand keine gemeinsame Sprachregelung? Wie immer man zu einem Interview in der Jungen Freiheit steht, nichts ist schädlicher, als potentielle Wähler mit einem kommunikativen Eiertanz zu verunsichern.

6. Hier wurde bereits zu einem frühen Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass der Netzwahlkampf sich allzusehr auf das Web 2.0 beschränkt hat. Wahlkampf mit klassischen Web 1.0 Mitteln hat die Piratenpartei kaum gemacht. Da das Wählerpotential der Piraten aber vor allem auch über das Netz erreichbar sein dürfte, wurde hier wohl ein nicht unbedeutendes Wählerpotential gar nicht angesprochen.

Fazit: Die Piratenpartei hat sich in ihrem ersten Bundestagswahlkampf gut behauptet und ein respektables Wahlergebnis erzielt. Alles wird jetzt darauf ankommen, dass sich die Piratenpartei inhaltlich verbreitert und organisatorisch professionalisiert. Dann wird sie in den kommenden Landtagswahlen hoffentlich noch erfolgreicher sein.

Sonntag, 27. September 2009

Zum Ergebnis der Bundestagswahl

Einige Thesen

1. Die CDU hat die Bundestagswahl strategisch mit ihrem Wahlkampf der Langweiligkeit, also eigentlich einem Nichtwahlkampf gewonnen. Gezahlt hat die CDU mit dem Preis entsprechender Stimmenverluste für die CDU und einem phänomenalen Wahlerfolg der FDP. Ob dies intern für die CDU zu Diskussionen führen wird, ist zweifelhaft.

Was aber wesentlich bedenklicher ist: In der CDU wird niemand darüber nachdenken, ob es nicht eigentlich völlig unverantwortlich ist, in einer Demokratie bewußt darauf zu setzen, den Wahlkampf langweilig zu gestalten, Konfrontation zu vermeiden und den Wähler zu demotivieren, überhaupt zur Wahl zu gehen. In dieser Frage wird die CDU kein schlechtes Gewissen haben, schließlich hat sie letztendlich ihr Wahlziel erreicht.

2. Die SPD hat die Wahl verloren. Sie hat es wohl nicht geschafft, unentschlossene, aber SPD-geneigte Wechselwähler zur Wahl zu motivieren. Das liegt natürlich an der Wahlkampfstrategie der CDU. Es liegt vor allem aber auch daran, dass die SPD inhaltlich keine echte Alternative angeboten hat. Nach 11 Jahren in der Regierung wurde die SPD mit allem identifiziert, was in der Vergangenheit passiert ist, aber zu wenige konnten sich wohl vorstellen, wie denn die Zukunft mit der SPD aussehen soll. Erschwerend kam natürlich hinzu, dass die SPD auch machtpolitisch keine Alternative zur großen Koalition anzubieten hatte.

Die Frage, die sich die SPD wird beantworten müssen: Macht es Sinn, die Opposition mit einem die Gerontokratie personifizierenden Parteivorsitzenden und einem Fraktionsvorsitzenden ohne ersichtliches Charisma zu bestreiten?

3. Die FDP ist der eigentliche Wahlgewinner. Das Geheimnis des Erfolges ist, dass der FDP viel zugetraut wird, ohne dass man der FDP viele Zumutungen zutraut. Die FDP ist sozusagen die Partei, die aus der Sicht ihrer Wähler am Besten oszillieren konnte und gleichzeitig vertrauenswürdig erschien. Was daraus in den Koalitionsverhandlungen und in der Regierungspraxis übrig bleibt, wird abzuwarten sein.

4. Die Piratenpartei kann zufrieden sein, auch wenn sie nicht jubilieren wird. Knapp 2 % war realistischerweise das beste was zu erreichen war. Und über 3 % wäre ja schon ein wahrhafter Triumph gewesen. Insofern sollte die Piratenpartei zufrieden sein. Eine gesonderte Analyse des Wahlergebnisses für die Piratenpartei wird in Kürze folgen.

Aber es sei klar gesagt: Die Piratenpartei hat ein gutes Fundament, um sich organisatorisch und inhaltlich zu professionalisieren und gestärkt in 4 Jahren den Bundestag zu entern.

Samstag, 26. September 2009

Wahlaufruf zur Bundestagswahl am 27. 09. 2009

Nutze Deinen Änderhaken

1. Wählen gehen

Nicht zu wählen bedeutet nicht "Ihr könnt mich mal..." sondern "macht gerne weiter wie bisher und wie ihr wollt". Nicht zu wählen ist nur eine Option für jemandem, dem alles egal ist.


2. Bürgerrechte wählen

Eine lange Liste von Sicherheits- und Überwachungsgesetzen zeigt: Es wird höchste Zeit, das Steuer herum zu reißen und die Bürgerrechte zu stärken. Wer hier unschlüssig ist, welche Partei für ihn in Frage kommt, der kann den Wahltest machen.


3. Änderhaken setzen - Piraten wählen

Wer ein deutliches Zeichen setzen möchte, sollte die Piratenpartei mit der Zweitstimme unterstützen.

a) Die Piratenpartei ist m.E. die Partei, die sich am stärksten für Zukunftsthemen wie Privatsphäre und Datenschutz im digitalen Zeitalter, Urheberrechte und die Freiheit des Netzes sowie Bildung und Forschung engagiert.

b) Die Grünen oder gar die FDP möchten glauben machen, sie seien im gleichen Maße Bürgerrechtsparteien - allein: Das Gesetz zum Abschuß von Passagierflugzeugen, der Große Lauschangriff oder das Gesetz zur Einführung biometrischer Pässe beweist, dass auf diese Parteien in Bürgerrechtsfragen kein Verlass ist.

c) Ist Deine Stimme verschwendet, wenn die Piratenpartei nicht in den Bundestag einzieht? Zugegeben: es ist momentan nicht wahrscheinlich, aber anderseits auch nicht unmöglich, dass die Piratenpartei in den Bundestag einzieht. Umso wichtiger ist Deine Stimme. Je stärker außerdem die Piratenpartei wird, umso eher sind die etablierten Parteien gehalten, die Themen der Piratenpartei zu berücksichtigen. Das hat ja bereits der Wahlkampf bewiesen, in dem viele Themen nur deshalb aufgegriffen wurden, weil die Piratenpartei sie besetzt und vorangetrieben hat.

Deshalb morgen am 27.09.2009 bei der Bundestagswahl:

PiratenKlarmachenzumAendern

Mittwoch, 23. September 2009

Erfolgswert der Wahlstimme

Die Angst des Torschützen beim Elfmeter

Die Psychologie des Elfmeterschießens könnte zu reizvollen Studien Anlass geben. Der Schütze weiß, dass er in einer überlegenen, aber keineswegs 100-prozentig sicheren Position ist. Wenn, ja wenn der Torwart ahnt, in welche Ecke der Schütze den Ball zu platzieren gedenkt, dann kann man sich tüchtig blamieren: als derjenige, der seiner Mannschaft den Sieg verpatzt hat und gedemütigt vom Platz sich trollen darf. Und als Torschütze muss man einkalkulieren, dass der Torwart vielleicht die richtige Ecke erahnt.

In der Debatte um das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz gab es einen Moment, da lag der Ball vor dem Tor der CDU. Alle Argumente lagen auf dem Tisch und auch das BKA mit seinem Präsidenten Jörg Ziercke sah nicht kompetent aus, wenn es um die tatsächlich Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet ging. Jetzt hätte die SPD mit ihrem Verhandlungsführer Martin Dörmann nur noch das Tor machen müssen und die CDU/CSU hätte auf ihrem eigenen Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung bei einem so sensibeln Thema eine Schlappe erlitten. Hätte - denn wie man weiß ist die Geschichte anders gelaufen. Aus Angst vor dem politischen Gegner hat die SPD die Sache versaut. Die Pille ist meterweit neben dem Tor des Gegners gelandet und die SPD bittet nun darum, man möge wenigstens das Mitleid mit ihr haben, anzuerkennen, dass sie versucht habe, in die richtige Richtung zu kicken.

Bei einem anderen Thema hat sich die SPD Bundestagsfraktion als letztendlich genauso unfähig erwiesen, den Ball im gegnerischen Tor zu platzieren. Das ist das Thema Überhangmandate. Überhangmandate verzerren den Erfolgswert der Wählerstimme (Proporzverzerrung) und führen dazu, dass mehr Stimmen für eine Partei trotzdem weniger Mandate ergeben (negatives Stimmengewicht). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelungen aus dem Wahlsystem für verfassungswidrig erklärt. Die SPD hatte damit die legitime und auch gebotene Möglichkeit, ein verfassungswidriges Wahlsystem für diese Bundestagswahl abzuändern und zugleich Überhangmandate für die CDU zu verhindern. Ein weiterer Leichtmatrose der SPD-Fraktion hat die Chance verpasst und wiederum aus Angst vor der Konfrontation von einer Änderung des Wahlsystems zusammen mit der Opposition Abstand genommen. Nun steht sie da, die SPD, und verliert die Wahl womöglich nur wegen der Überhangmandate.

Wer nun tatsächlich etwas aus seiner Stimme machen möchte und möglicherweise Schwarz-Gelb verhindern oder - Gott behüte - eine erneute große Koalition wünscht, dem bieten sich über das Wahlsystem allerdings auch Möglichkeiten, den Erfolgswert seiner Stimme zu verbessern. Denn: sofern die Piratenpartei über 5 % bekommt, ist eine Schwarz-Gelbe Koalition unwahrscheinlich und der Fraktionsporporz im Bundestag würde neu aufgemischt. Hier können also wenige Stimmen, die einer Partei über die 5%-Hürde helfen, hohes Gewicht bekommen.

Und das ist möglicherweise der gerechte Lohn der SPD-Politik, dass sie nun eigentlich auf ausreichende Zweitstimmen für die Piratenpartei hoffen muss, damit sie sich wieder an den Regierungstisch einer großen Koalition retten kann. Mehr als 5% für die Piraten wäre allerdings der größte Treffer, den die SPD in jüngerer Vergangenheit gelandet hat.

Sonntag, 20. September 2009

Wer Piraten wählt...

... unterstützt wen?

Aktuell gibt es im Endspurt auf die Bundestagswahl 2009 neben heftigen Attacken auch mehr oder minder freundliche Versuche, die potentielle Wählerschaft der Piraten zu umwerben.

Hauptargument ist dabei jeweils immer, dass die Piratenpartei ohnehin nicht in den Bundestag einzieht und daher deren Wählerstimmen insofern vergeudet seien. Ob die Piratenpartei allerdings tatsächlich keine Chance hat in den Bundestag einzuziehen, scheint so ausgemacht nicht zu sein. Wie auch immer - unterstellt die Piraten würden nicht auf Anhieb in den Bundestag einziehen, dann folgt das Argument:

"#piraten Wähler verschenken ihre Stimme, weil die eh nicht in den Bundestag kommen --> sinnlose Stimmenverschwendung, die CDU/SPD stärkt!"
Der schönste Tweet aber stammt vom Wahlkampfmanager der SPD höchstselbst:

"Wer Piraten wählt, wacht am Ende mit Schwarz-Gelb auf #piratenindievolksparteien!"
Hierzu sei noch einmal Stellung genommen:

1. Sollten es die Piraten in den Bundestag schaffen, ist eine Mehrheit für Schwarz-Gelb rechnerisch höchst unwahrscheinlich. Aktuell besteht die effektivste, nicht aber unbedingt die wahrscheinlichste Möglichkeit der Verhinderung von Schwarz-Gelb in der Wahl der Piratenpartei.

2. Wenn Schwarz-Gelb eine Mehrheit bekommt, dann ist dies vor allem eine Folge der Schwäche der SPD. Es ist schon ungewöhnlich, die Verantwortung für die eigene Schwäche bei der Mobilisierung der Wählerschaft nun ausgerechnet konkurrierenden Parteien in die Schuhe zu schieben.

3. Wenn es eine signifikante Wählerschaft der Piraten gibt und nun deswegen die SPD möglicherweise ihr Wahlziel "Große Koalition" nicht erreichen sollte, dann liegt das unter anderem an den Fehlern der SPD-Politik und hier insbesondere an der Zustimmung zum Zensurgesetz. Jetzt das Argument zu zücken "Piraten in die Volksparteien" ist genauso richtig wie es die Forderung wäre "Grüne in die Volksparteien". Die SPD untermauert damit einmal mehr ihren von Hybris geprägten Alleinvertretungsanspruch.

Kajo Wasserhövel liefert ein dreistes Stück Bauerndialektik ab, wenn er die Unfähigkeit der SPD in netzpolitischen Fragen jetzt auch noch zu einem Argument macht, warum die Piraten dringend die SPD unterstützen sollten. Wer die Piratenpartei wählt, unterstützt die Piratenpartei und niemanden sonst. Die SPD möge bitte die Wahl mit ihren eigenen Wählern gewinnen.

Freitag, 18. September 2009

Alleinvertretungsanspruch und Etatismus

Warum die SPD Administrative Bestrafung anwendet

Aktuell betreibt die SPD beziehungsweise die der SPD nahestehenden Twitterer und Blogger eine Web 2.0 Bashing-Kampagne gegen die Piraten. Während die mangelnde Kritikfähigkeit der Piratenanhänger kritisiert und deren rauer Umgangston gerügt wird, werden umgekehrt die Piraten als "soziale Würmer" bezeichnet. Eine gewiss humorvolle Beleidigung, aber nichts desto weniger eine Beleidigung der Mitglieder und Sympathisanten der Piratenpartei. Für diese SPD-nahe Bashing Kampagne gibt es eigene Twitter-Accounts und das Konzert wird begleitet von entsprechenden Blogbeiträgen.

Nun ist es nicht so, dass die Piraten nicht selbst einen Anlass für Kritik gegeben hätten, möge sie in der Sache gerne auch härter sein, aber die Wurzeln dieser Aversion gegen Piraten reichen tiefer.

Zunächst mal befinden wir uns natürlich im Endspurt auf die Bundestagswahl. Aktuellen Prognosen zufolge liegt Schwarz-Gelb mit 48,75 % vor Rot-Rot-Grün mit 47 % (gemittelt über die letzte aktuellen Wahlumfragen bei wahlrecht.de). Das ist noch immer sehr knapp, aber es würde der SPD eben noch nicht reichen, um sich erneut in eine große Koalition zu retten. Mit anderen Worten: die SPD hat schlichtweg Angst, die Wahl zu verlieren und ist einigermaßen verzweifelt auf der Suche nach möglichen Wechselwählern, die noch umzustimmen wären.

Aber auch das würde die aktuellen Kampagnen nicht ausreichend erklären, scheint es doch wenig Sinn zu machen die Piratenpartei, denen Wahlforscher aktuell ein Potential um 2% bescheinigen, mit einer Kritikasterkampagne auch noch in den Focus der Aufmerksamkeit zu rücken. Die eigentliche Kritik der Sozialdemokraten an der Piratenpartei ist denn auch eine, die sich nur verdeckt äußert. So schreibt zum Beispiel ein Kommentator bei netzpolitik.org:

"Es gibt sicher vernünftige Piraten in der Piratenpartei. Mit denen würde ich gerne innerhalb der SPD koalieren."
Und etwas weniger gewunden kann man beim "Vorwärts" lesen:

"Ich treibe lieber in der SPD die "Piraten-Themen" Internetfreiheit, Urheberrecht und Medienkompetenz voran, da ist wenigstens eine Chance da, dass man damit etwas gesellschaftlich erreichen kann."
Halten wir fest: den SPD-nahen Kritikern der Piratenpartei geht es nicht um eine inhaltliche Differenz zu den Programmpunkten der Piratenpartei, sondern darum, dass doch bitte schön der richtige Ansatz die Themen zu treiben entweder eine Bürgerrechtsbewegung als NGO oder aber - wenn man sich denn parteipolitisch engagieren möchte - eine Beteiligung innerhalb der SPD sei.

Und hier kommen wir an die eigentliche Wurzel der Aversion gegen die Piraten.

Die SPD vertritt als Volkspartei noch immer den von Hybris geprägten Anspruch, dass doch bitte jeder, der sich für eine emanzipatorische Politik und eine solidarische Gesellschaft einsetzt, dies in der SPD zu tun habe. Gegen den Anspruch, dass das linke Parteienfeld möglichst einig und geschlossen von einer Partei vertreten werden solle, hatte die SPD nie etwas einzuwenden, sofern nur klar war, dass diese Partei die SPD selbst ist. Neben dem Unverständnis für die Inhalte der GRÜNEN, hat die SPD ja in den Anfangsjahren insbesondere deshalb einen arroganten Politikstil gegenüber den GRÜNEN gepflegt, weil sie sich selbst als Partei in ihrem selbstverständlichen Alleinvertretungsanspruch durch die GRÜNEN verraten fühlte. Nicht anders heute bei den Piraten.

Daneben gibt es für die SPD Politik natürlich nur im Zusammenhang mit den staatlichen Institutionen. Politik ist alles, was in Parlamenten und in der Regierung stattfindet. Als Partei war und ist die SPD derart etatistisch, dass gegen den Nationalsozialismus eine persönlich mutige Rede von Otto Wels, die inhaltlich von politischer Naivität geprägt war, und die Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes im Reichstag exakt das war, was die SPD maximal unter "politischem Widerstand" verstehen konnte. Was nicht innerhalb des Parlaments oder der Regierung stattfindet, ist für die SPD in ihrer Mentalität allenfalls eine Vorfeldorganisation in der Gesellschaft, die die politische Rückendeckung für die jeweilige SPD-Fraktion zu organisieren hat. Deshalb ist es für die SPD Verschwendung eine Partei zu gründen, von der es zunächst einmal nicht wahrscheinlich ist, dass sie ins Parlament einziehen wird.

Die Piratenpartei ist also für die SPD eine Vergeudung von den Wählerstimmen, die - aus Sicht des Selbstverständnisses der SPD - doch eigentlich rechtens ihr gehören sollten. Und so reagiert die SPD eben, wie sie immer reagiert hat. Frei nach dem Motto: "Schade, daß Sie nicht in der Partei sind - sonst könnte man Sie jetzt ausschließen!". Und was seinerzeit Holger Börners Dachlatten gegen die GRÜNEN waren, sind nun eben Tweets von Sixtus und Sascha. Administrative Bestrafung.

Donnerstag, 17. September 2009

Grundrechte als Bürgeropfer

Verfassungsminister

Wolfgang Schäuble präsentiert sich auch im Wahlkampf als rollender Anschlag auf das Grundgesetz. Diesmal fordert er die Abschaffung der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste. Oder richtiger vielleicht doch: er fordert "nur" eine Debatte über die Abschaffung der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste. Naiv wäre, wer annähme, Schäuble würde quasi eklektizistisch Vorschläge zur Inneren Sicherheit und zur Einschränkung von Grundrechten unterbreiten.

In einem Interview mit der ZEIT hat Wolfgang Schäuble empfohlen, sich mit dem Autor Otto Depenheuer und dessen Buch "Selbstbehauptung des Rechtsstaats zu beschäftigen:

Zeit: Selbst ein so gefestigter Rechtsstaat (...) tut sich offenbar schwer damit, diese rechtsstaatlichen Grenzen einzuhalten, Stichwort Guantánamo. Der Kampf gegen den Terror scheint den Rechtsstaat bis an seine Grenzen zu fordern - und darüber hinaus?

Schäuble: Lesen Sie einmal das Buch Selbstbehauptung des Rechtsstaats von Otto Depenheuer, und verschaffen Sie sich einen aktuellen Stand zur Diskussion.

Der Aufforderung ist unter anderem auch die TAZ nachgekommen. Es lohnt sich einen Blick darauf zu werfen, welches Gedankengebäude hinter den Vorschlägen von Wolfgang Schäuble steht. Die ZEIT schrieb hierzu ja bereits, dass man sich

"in eine geradezu paranoid anmutenden, extrem hermetischen Gedankenwelt"
versetzt sehen wird.

Politischer Extremismus
Der von Schäuble empfohlene Autor bezieht sich in seiner Argumentation positiv auf Carl Schmitt. Und wie dieser so denkt auch Depenheuer bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus von den Extremen aus. Er sieht den Staat durch die Terrorbedrohung existenziell bedroht. Islamistische Terroristen sind für ihn Feinde. In der Diktion von Carl Schmitt ist der Begriff des Feindes in einem konkreten und existenziellen Sinne zu verstehen.

Der (terroristische) Feind steht außerhalb der Gesetze und ist letztlich zu vernichten.

Afghanistan in Deutschland
Wenn man politische Probleme, und auch der islamistische Terror ist ein solches, erst einmal intellektuell auf Steinzeitniveau eingestellt hat, kann sich dann nur noch die Frage stellen, wer die größere Keule zu schwingen vermag: der Terrorist oder der Staat. An dieser Stelle gerät dann zwangsläufig auch der zivile Kollateralschaden einer solchen Politik in den Blick.

Bürgeropfer
Die Frage die sich - wieder zugespitzt am Extremfall des Abschusses eines Passagierflugzeuges, stellt ist - wie sich die staatlich angeordnete Tötung von unschuldigen Staatsbürgern denn rechtfertigen ließe. Hier führt Depenheuer den Begriff des "Bürgeropfers" ein. Wenn es um die existenzielle Selbstbehautung des Rechtsstaats geht, dann, so meint Depenheuer, müssten doch die Mitglieder dieses Solidarverbandes, also die Bürger, letztendlich auch verpflichtet sein, mit ihrem Leben den Fortbestand des Staates zu sichern.

Es handelt sich um eine verpflichtend gedachte, zivilgesellschaftliche Levée en masse mit dem Inhalt, als potentielles "Bürgeropfer" den Fortbestand des existenziell bedrohten Staates abzusichern.

Insofern Schäuble sich den Ausführungen Depenheuers anzuschließen scheint, befindet er sich offensichtlich in einem ganz rustikal gedachten Kampf gegen Terror (und Kriminalität?). Und wenn in einer solch archaisch gedachten Auseinandersetzung das Leben unschuldiger Bürger als vernachlässigbare Größe gehandelt wird, wie sollten dann wohl liberal verstandene Normativitäten, wie zum Beispiel Grundrechte, überhaupt noch eine Rolle spielen?

Im Grunde genommen ist es mehr als Ironie, dass Wolfgang Schäuble zugleich "Verfassungsminister" ist.

Samstag, 12. September 2009

Wahlkampf auf Leserkosten

Rheinische Post agitiert gegen Piraten

Die Rheinische Post will einen Skandal entdeckt haben: unter der Überschrift "Wahlkampf auf Staatskosten" behauptet sie, die "Bundespressestelle" der Piratenpartei telefoniere für ihre Kampagnen von einem Anschluss des Bundestages aus, dort sei der "Bundespressekoordinator" der Piratenpartei erreichbar.

Nun, wenn der Autor der Rheinischen Post, Gregor Mayntz, jemals etwas von Parteienfinanzierung gehört hätte, dann müsste er wissen, dass jede Partei und insbesondere die großen etablierten Volksparteien ihren Wahlkampf wenigstens zum Teil auf Staatskosten führen. Über die direkte Finanzierung aus staatlichen Zuschüssen und indirekte Finanzierung aus Staatsmitteln über die Beiträge der Mandatsträger kann sich die Rheinische Post zum Beispiel bei Wikipedia informieren. Insofern ist die Überschrift - wenn als Vorwurf gegen die Piraten gerichtet - komplett abwegig.

Außerdem: Jeder Bundestagsabgeordnete managt seine Parteiaktivitäten einschließlich des Wahlkampfs während der Sitzungswochen des Bundestages aus seinem Bundestagsbüro in Berlin. Und natürlich nutzen alle Abgeordneten für diese Parteiaktivitäten auch das Telefon im Bundestagsbüro. Es wäre sehr naiv anzunehmen, es ließe sich bei der Nutzung des Telefons eines Abgeordneten zwischen der "Nutzung als Abgeordneter des Bundestags" und der "Nutzung zu Parteizwecken" säuberlich unterscheiden.

So bleibt eigentlich nur ein vernünftiger Grund für diesen Artikel der Rheinischen Post und der lautet: Wahlkampf!

Das bedeutet faktisch also, dass die Rheinische Post auf Leserkosten Wahlkampf gegen die Piraten betreibt. Das sollte aber bei den Lesern der Rheinischen Post zwei Fragen aufwerfen. Möchte man wirklich mit seinem Abonnement den Wahlkampf der CDU finanzieren? Und: Wäre es dann nicht klüger, das Abo zu kündigen, das Geld an die CDU direkt zu spenden und dann wenigstens eine von der Steuer absetzbare Spendenquittung zu bekommen?

Wer die CDU unterstützen möchte, kann das direkter und sinnvoller tun - und erspart es sich, unsinnige Artikel aus der Rheinischen Post lesen zu müssen.

Freitag, 11. September 2009

Online-Wahlkampf

Herren der Meere

Auf gutjahr.biz läuft aktuell ein Twitt-Poll zum Online-Wahlkampf. Man könnte annehmen, dass es möglicherweise ein wenig zu früh ist für ein Urteil über den Online-Wahlkampf. Schließlich dauert der Wahlkampf noch 2 Wochen. Aber, Moment mal: welcher Wahlkampf überhaupt?

Prinzip Enttäuschung

Die CDU verweigert sich dem Wahlkampf bewußt, um der SPD keine Gelegenheit zur Mobilisierung ihrer Anhänger zu geben. Damit liefert sie dann eben auch keine Angriffsfläche wie noch in 2005. Ein insgesamt langweiliger Wahlkampf wird nun auch im Netz Niemanden vom Hocker hauen. Wenn die stärkste Aussage im Wahlkampf ist "Wir haben die Kraft", aber die Frage nicht klar beantwortet wird "Wozu?", dann ist eben mit diesem Inhalt kein Begeisterungssturm zu entfachen.

Piraten

Spektakulär ist der Online-Wahlkampf nur aus einem Grund: wegen der Piraten. Wohlgemerkt der Online-Wahlkampf der Piratenpartei findet eigentlich genausowenig statt, wie der Offline-Wahlkampf der anderen Parteien. Auf die Frage, "Wen soll ich wählen" oder auch "Wem gebe ich am 27.09.2009 meine Wahlstimme?" liefert keine Partei bei Google ein Ergebnis, aber eben auch nicht einmal die Piraten. Und selbst eine so simple Suche wie "Piratenpartei Wahlprogramm" liefert ein wirklich enttäuschendes Ergebnis für eine Partei, deren Wurzeln im Netz zu suchen sind. Zum Vergleich: selbst die CDU, also die Offline-Partei schlechthin, liefert zu den entsprechenden Suchbegriffen nicht nur eine brauchbar gestaltete Webseite aus, sondern zu diesem Stichwort auch gleich noch ein Sponsored-Ad vorneweg. Beschämend!

Ein zündender Online-Spendenaufruf der Piraten: Fehlanzeige. Wofür man jedoch spenden kann, ist ein Offline-TV Spot (!) der Piraten. Also im günstigsten Fall - wenn die Piraten die 5 % Hürde nehmen - hat der TV-Spot einen effektiven Streuverlust von 97 % (unterstellt, die Piraten hätten bereits jetzt 2% Wähleranteil gesichert und die Differenz käme ausschließlich aus dem TV-Spot). Eine auch nur halbwegs ordentliche Klick-Kampagne der Piraten für genau diesen Wahlkampfspot im Internet könnte bei (Klickpreisen von 0,20 €) 750.000 wirklich interessierte Onliner ansprechen. Das passende Werbemittel zu dieser Kampagne hätten dann allerdings bei einer wirklich guten Kampagne vorher bereits 35 Millionen Internet-Nutzer gesehen (2 % Click-Through-Rate). Kennt bei den Piraten niemand den Vorteil von Werbung im Internet im Verhältnis zu Offline-Werbung?

Auch noch nie gesehen: eine von der Piratenpartei vorformulierte Mail, die mir von einem Freund zugeschickt worden wäre und indem die Piraten über ihr Programm aufklären, um Unterstützung oder Spenden bitten und möglicherweise einen Newsletter anbieten.

Die Piratenpartei kommt im klassischen Web 1.0 praktisch nicht vor und erreicht wohl gerade einmal 10% der Internet-Nutzer. Stattdessen rollen ganze La-Ola Wellen an Piraten-Retweets durch Twitter, so dass einige Hashtags sich der Unbenutzbarkeit annähern.

Wir sollten nicht unfair sein. Die Piraten sind jung und brauchen die Zeit. Schließlich dürfte die Piratenpartei organisatorisch auch etwas von ihrem eigenen Erfolg übermannt worden sein.

Likedeeler

Zurück zum Thema: das wirklich einzige, überraschende und begeisternde Thema dieses Wahlkampfes ist die Breite der Unterstützung der Piratenpartei im Netz. Ob XING oder VZ, ob Twitter oder Blogs. Die Piratenpartei genießt im Netz - jedenfalls im Web 2.0 - einen Rückhalt der so groß ist, wie bei keiner anderen Partei. Selten hat ein Wahlkampf im Netz so viel Spass wie dieser gemacht. Überall trifft man auf Piraten.

Im Netz ist die Piratenpartei - also sind wir ! - die einzig verbliebene 'Volkspartei'.

Und zurück zur angesprochenen Umfrage: Online-Wahlkampf der anderen Parteien? Welche andere Partei hat nennenswerten Rückhalt im Netz und kann einen Online-Wahlkampf führen?

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